Gestern abend habe ich zufällig ein am 2.8.19 erschienenes Interview von Pankows Stadtrad Vollrad Kuhn in der Berliner Morgenpost gelesen, das mich überrascht hat.
Morgenpost: Viele große Bauprojekte in Pankow stoßen bei Anwohnern auf Ablehnung, weil enormer zusätzlicher Verkehr befürchtet wird. Wie kann man solche Bedenken entkräften?
Vollrad Kuhn: Wenn wir uns die großen Vorhaben wie Karow-Süd, die Michelangelostraße, das Pankower Tor oder den Blankenburger Süden als größtes Vorhaben anschauen, steht fest: Bevor man kein Verkehrskonzept hat für die jetzigen und künftigen Probleme und entsprechende Maßnahmen umsetzt, kann man mit dem Bau nicht beginnen. Das ist ganz klar.
Bei dieser Aussage war ich baff. Und ich las sie noch einmal durch, um mir sicher zu sein, dass ich richtig gelesen hatte. Hatte Vollrad Kuhn gesagt, es ist ganz klar, dass es keinen Baubeginn geben wird bevor man nicht entsprechende Verkehrsmaßnahmen für die jetzigen und künftigen Probleme umgesetzt hat? Ja, laut Berliner Morgenpost hatte er.
OK dachte ich mir, diese Aussage steht aber in direktem Widerspruch zu der Präsentation der 3. Planungswerkstatt in Karow im Juni 2019. (Folie 5 und Folie 33)
Die Folie 5 der Präsentation zeigt einen Zeitplan mit verbindlicher Bauleitplanung ab 2020 und Baubeginn ab (frühenstens) 2025.
Folie 33 zeigt den Zeitplan der Verkehsplanung, der schon im Erscheinungsbild ziemlich verschwommen ist:
Bis 2025 sind nur drei konkrete Maßnahmen vorgesehen:
- schrittweise Beschaffung von E-Bussen
- Panke-Trail Radweg
- B2 Verbindungsstraße Karow
Keine andere Maßnahme ist bis 2025 (d.h. frühester Baubeginn) vorgesehen, umgesetzt zu werden. Die Folie zeigt sehr gut, dass alles andere ist erst ab 2030 (z.B. Turmbahnhof Karow oder S-Bahn zweigleißig zwischen Buch-Bernau) oder erst sehr viel später als Verkehrsmaßnahme laut Plan umgesetzt werden soll.
Also frage ich mich was nun diese Aussage von Herrn Kuhn in der Berliner Morgenpost bedeutet? Ein paar Optionen, die mir spontan einfallen:
- Herr Kuhn ist davon überzeugt, dass E-Busse, ein Radweg und eine Verbindungstraße, die auf die sehr volle B2 einspeist, ausreichende Verkehrsmaßnahmen für die jetzigen und künftigen Probleme sind?
- Herr Kuhn sagt “ganz klar”, dass der Baubeginn von allen diesen Projekten frühestens im Jahr 2030 oder auch sehr viel später stattfinden wird?
- Herr Kuhn weiß nicht, was seine Mitarbeiter vom Bezirksamt Pankow den Anwohnern vor Ort wirklich kommunizieren und versteht deswegen nicht die Ablehnung der Anwohner? Denn ganz klar scheint die Idee “Umsetzung von Verkehrsmaßnahmen vor Baubeginn” unter den Planern ja nicht Konsensus zu sein – wie die Folien der Planungswerkstatt oben beweisen.
Dass ich Option 1 für Wunschdenken halte, habe ich bereits in einem anderen Blog beschrieben.
Zu Option 2 kann ich nur sagen, dass mir in den vergangenen Wochen einige alteingesessene Karowerinnen und Karower erzählt haben, dass Karow-Nord in der Tat gebaut wurde bevor das damals versprochene Verkehrskonzept umgesetzt wurde. Am Ende wurden viele Versprechungen gar nicht realisiert, sondern es gab einfach paar Busse von Nord-Karow zur S-Bahn, und ein paar Jahre danach einen zweiten Eingang zum alten S-Bahnhof. Als Konsequenz sind heute sowohl der Bus als auch die S-Bahn oft voll und der Verkehr auf der Straße ist angestiegen. Warum sollten die Karowerinnen und Karower also auf die aktuelle Aussage von Herrn Kuhn vertrauen, wenn sie in der Vergangenheit schon einmal mit leeren Versprechungen in genau dieser Art und Weise entäuscht wurden?
Zu Option 3 muss man Herrn Kuhn wohl am besten direkt fragen, da will ich nicht weiter spekulieren.
Update 5/9: Nachdem ich im August nicht konnte, habe ich einen Termin in der nächsten Bürgersprechstunde von Herrn Kuhn am 19. September um 16.30 Uhr bekommen. Ich bin schon jetzt auf die Unterhaltung mit Herrn Kuhn gespannt!
Wenn jemand weitere Ideen hat, wie diese überraschende Aussage von Herrn Kuhn in der Berliner Morgenpost interpretiert werden soll, bitte hier unten, auf Facebook oder Nebenan.de kommentieren.
Herr Kuhn bezieht sich sicher auf die Massnahmen für die der Bezik zuständig ist.
Und das sind nur Kiezmassnahmen, dh wie wir aus den Staus herauskommen und im SEV die doppelte Zeit brauchen ,
bevor die Kinder aus der KITA geholt werden können, das ist nicht das Problem von Herrn Kuhn,
sondern Senatsaufgabe und unser Problem.
Und hier fehlt ein vollständiges Konzept wie es schon einmal vor 25 Jahren existierte mit S Bahn erweiterungen in Richtung Buch und Oranienburg, U Bahnlinien auch durch die Berliner Alle in Weissensee bis hierher.
Nur ergänzend waren Straßenbahnund Buslinien geplant.
Wir brauchen eine Erschließung des Nord Osten verkehrsseitig. Diese muß schnelle Verbindungen in die Innenstadt und durch die Stadt enthalten und damit Individualverkehr unattraktiv machen, weil lang und teuer.
Dann kann über massvolle Bebauung nachgedacht werden.
Danke für den Kommentar! Ja es kann sehr gut sein, dass Herr Kuhn nur zu seiner Verantwortlichkeit spricht, allerdings ist das ja offensichtlich keine befriedigende Lösung, wenn er sich nur auf seine Kompetenzscholle zurückzieht und den Bürgern verschweigt, dass es wirklichen Fortschritt im Verkehrsproblem nur in Kooperation mit dem Senat gibt. Ich habe nun immer wieder gehört, dass es eine Verkahrsraumuntersuchung Nordost gibt, wie Dennis Bucher (SPD Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses) hier schreibt: “Seit dem Sommer 2016 ist die Veröffentlichung der Verkehrsraumuntersuchung Nordost angekündigt. Dies befindet sich derzeit im Abschluss und soll im zweiten Quartal 2019 veröffentlicht werden. Untersucht werden dabei die Auswirkungen der neuen Bauprojekte auf den bestehenden Verkehrsraum und mögliche weitere Maßnahmen zur Erschließung des Gebietes und zur Entlastung des Verkehrsraums Nordost. ” https://dennis-buchner.de/aktuelle-informationen-zum-blankenburger-sueden-verkehr/ Allerdings scheint die Veröffentlichung dieser Untersuchung immer wieder hinausgezögert zu werden und ich frage mich langsam was in diesem Dokument drin steht, dass so brisant ist, dass es nicht veröffentlicht wird.